Datei: | beschneidung.php |
Erstellt: | 29.07.2012 |
Aktualisiert: | 25.09.2014 - Typo |
Religiös motivierte Beschneidungen
Im Sommer 2012 debattiert ganz Deutschland über religiös motivierte Beschneidungen und die Kirchenoberhäupter geben sich überrascht, warum sich bisher niemand zu Wort gemeldet habe und es jetzt plötzlich so ein wichtiges Thema wäre. Für mich persönlich kann ich sagen, daß mir erst mit diesem Urteil überhaupt klar wurde, was da in Deutschland seit über 60 Jahren stillschweigend geduldet wurde. Noch viel schlimmer finde ich aber, daß nun das bislang geduldete Unrecht, namentlich die Körperverletzung an Kleinkindern und Säuglingen, legalisiert werden soll. Und ich frage mich: Warum? Hier die Antwort:
Nehmen wir uns doch bitte einmal zwei Minuten Zeit und versetzen uns mental in den Zustand vor dem Kölner Beschneidungsurteil und der anschließenden Debatte darüber. Das Urteil hat es nicht gegeben und alles ist wie gehabt. Beschneidung ist kein öffentliches Thema und alles ist ruhig.
Nun stellen wir uns weiter vor, der Scientology würde einfallen, daß ihre Religion doch eigentlich vorsehe, kleinen Mädchen die Nasenspitze abzuschneiden. Bei der Nasenoperation eines kleinen Mädchens passiert eine Panne und es muß ins Krankenhaus eingeliefert werden. Der Fall kommt schließlich vor ein Gericht und wird als Körperverletzung bestraft. Soweit das Gedankenspiel.
Jetzt seien wir doch mal ehrlich zu uns selbst:
Wäre dieses Urteil in diesem Fall auch als Falsch kritisiert worden? Hätte sich der Bundestag ebenfalls dafür ausgesprochen, schnellstmöglich ein Gesetz auf den Weg zu bringen, welches der Scientology ausdrücklich erlaubt, die körperliche Integrität kleiner Kinder zu verletzen? Hätte sich der Bundestag überhaupt mit dem Urteil eines Landgerichts auseinandergesetzt und irgend einen Handlungsbedarf gesehen? Wohl kaum. Selbst dann nicht, wenn die Scientology noch so laut gejammert hätte! Und egal, welchen Abgeordneten man gefragt hätte, hätte wohl ausnahmslos jeder von ihnen das Urteil für richtig befunden.
Wir haben soeben festgestellt, dass wir natürlich der Meinung sind, die Scientology habe nicht das Recht, kleine Mädchen an der Nase zu verletzen. Wenn wir uns nicht selbst belügen, kam uns bei der Vorstellung doch sofort in den Sinn, daß es gar eigentlich gar keine Frage ist, ob die Scientology so etwas darf! Waren wir bis hierhin wirklich ehrlich zu uns? Falls ja, dann müssen wir uns auch eingestehen, daß der Grund dafür, dass unsere Politiker die Beschneidung jüdischer und muslimischer Kinder unter Mißachtung aller rationalen Argumente und der allgemein anerkannten Menschenrechte doch nur deshalb legalisieren wollen, weil da zwei große Weltreligionen dahinter stehen, wovon die eine schon wieder ganz laut Holocaust! Holocaust! ruft und die andere uns Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorwirft.
Ausgerechnet wir Deutschen! Und ausgerechnet die Juden!
Das ist die wahre Motivation unserer Politiker, diese unmenschlichen und wahrlich anachronistischen Rituale schnellstmöglich legalisieren zu wollen. Nur schnell die ungemütliche Debatte beenden und Ruhe im Karton.
Quelle:
www.pro-kinderrechte.de
Aber wir sollten uns die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, warum es keinen Sinn macht, das Recht auf körperliche Unversehrtheit ausgerechnet der schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft zur Disposition zu stellen. Oder warum es respektlos gegenüber den kleinen Jungs ist, wenn wir ihnen abverlangen, des lieben Friedens willens ihre Vorhaut opfern zu müssen. Oder daß es diskriminierend ist, wenn man ihr Geschlechtsteil von Rechts wegen beschädigen dürfen soll, das des anderen Geschlechts aber unter keinen Umständen. Auch die Verharmlosung der Schmerzen und das Kleinreden der Gefahr von Komplikationen ist gegenüber diesen kleinen Menschen einfach nur unfair.
Man darf die Debatte nicht um des lieben Frieden willens schnellstmöglich beenden, indem man einfach Unrecht per Gesetz zu Recht macht. Artikel 2 des Grundgesetzes erlaubt die freie Entfaltung der Persönlichkeit, wozu natürlich auch die Ausübung der Religion gehört. Dort steht aber auch, daß diese Freiheit dort endet, wo das Grundrecht anderer verletzt wird. So konnte man folgerichtig auf der Homepage des Bundesinnenministerums lesen:
Das Grundrecht der Religionsfreiheit (Artikel 4 Abs.1 und 2 GG) ist vorbehaltlos gewährleistet, es findet seine Schranken allerdings in den Grundrechten anderer Menschen und sonstigen elementaren Grundwerten der Verfassung; ...
Zumindest konnte man diesen Satz am 25.08.2012 dort noch so lesen, was hiermit dokumentiert ist. Wenn die Politik allerdings die Beschneidung aus religiösen Gründen tatsächlich legalisieren will, wird unser Bundesinnenministerium diesen Satz wohl ändern oder streichen müssen. Wir dürfen also gespannt sein, was dann dort stehen wird.
Update 08.07.2013: Beinahe fassungslos stelle ich soeben fest, daß der Satz tatsächlich entfernt wurde. Die Aussage, wonach das Recht auf freie Religionsausübung dort endet, wo Grundrechte und Freiheiten anderer Menschen tangiert werden, war offensichtlich nicht mehr erwünscht und vor allem nicht mehr kompatibel zu dem neu geschaffenen Paragrafen 1631d BGB, der den Eltern die Bechneidung ihrer männlichen Kinder inzwischen ausdrücklich gestattet. übrig geblieben ist lediglich folgender Satz, der auch vorher schon dort zu lesen war.
Die Religionsfreiheit - Art. 4 Abs. 1 und 2 GG garantiert die Religionsfreiheit eines jeden Einzelnen. Jeder kann sich frei zu einer Religion bekennen und einer Religionsgemeinschaft beitreten. Jeder ist aber auch frei, sich nicht zu einer Religion zu bekennen, aus einer Religionsgemeinschaft auszutreten oder in eine andere überzuwechseln.
Update Ende
Komikernation
Frau Merkel meint, wir würden zur Komikernation, wenn wir den jüdischen und muslimischen Menschen hierzulande verbieten würden, an den Geschlechtsteilen ihrer Kinder herum zu schneiden. Da liegt sie aber falsch, denn in Wirklichkeit wird die religiös motivierte Beschneidung schon seit langem weltweit kritisch debattiert. Wenn Deutschland sein Grundgesetz beim Wort nimmt, wird das Ansehen Deutschlands keinen Schaden nehmen, denn gerade das Grundgesetz ist aufgrund seiner Entstehungsgeschichte frei von jedem Verdacht des Rassismus oder Antisemitismus! Das Ansehen Deutschlands wird jedoch rapide sinken, wenn wir heute anfangen, das Grundgesetz zu verbiegen oder mit juristischen und legislativen Klimm- und Winkelzügen in Teilen außer Kraft zu setzen, nur um uns nicht mit dem Zentralrat der Juden anlegen zu müssen, der schon wieder vom schlimmsten Angriff gegen das Judentum seit dem Holocaust spricht und eine sachliche Diskussion wie üblich zu vergiften versucht.
Man sollte dabei bleiben, dass keine Religion das Recht hat, die köperliche Integrität eines Menschen zu verletzen. Daß überhaupt darüber nachgedacht wird, irgendeiner Religion dieses Recht zuzugestehen, ist eigentlich eine Schande.
Lesen Sie dazu bitte auch meine Meinung zum Tagesgeschehen vom 30.06.20212.
Hier ein kleiner Nachtrag vom 23.08.2012. Da der Ethikrat, der unter anderem mit Vertretern der evangelischen Kirche besetzt ist, in der heutigen Sitzung entschieden hat, daß die Beschneidung legalisiert werden kann, habe ich beschlossen aus der evangelischen Kirche auszutreten und werde das in der Woche 35/2012 erledigen. Wer sich gegen rituelle Beschneidungen an Kindern und Säuglingen engagieren will, kann das aktuell (Stand: 23.08.2012) bei dieser Aktion der Giordano-Bruno-Stiftung tun und/oder bei dieser Bundestagspetition mitzeichnen. Nachtrag vom 27.08.2012: Ich bin aus der Kirche ausgetreten, siehe rechts. Außerdem habe ich einen offenen Brief an den Ethikrat geschrieben.