Offener Brief an den Ethikrat

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Ethikrat hat sich bezüglich der religiös moti­vierten Beschneidung jüdischer und muslimischer Jungen dafür aus­gesprochen, diese Praxis unter Auf­lagen zu legali­sieren. Diese Entschei­dung wundert mich angesichts der Besetzung des Ethik­rates nicht, denn schon unmittel­bar nach dem Kölner Urteil hat die Kirche ja schon das Urteil kriti­siert, die Position war also klar. Was mich aber wundert ist die Tatsache, daß der Ethik­rat nicht einmal den Versuch unter­nommen hat, nach außen den Eindruck zu erwecken, das Thema Ergebnisoffen und ernsthaft zu disku­tieren. Offen­bar ging es nur darum, plausibel klingende Argumente zu (er-) finden, mit denen man die Kritiker der Beschnei­dung ruhig stellen konnte. Um das Wohl und die Rechte der Kinder ging es nicht. Aber die Argumente des Ethik­rates tragen nicht und sind teil­weise sogar an den Haaren herbei gezogen:

Recht auf freie Religionsausübung

Der Ethikrat befindet, das Recht auf Religions­ausübung sei ein Grund­recht, weshalb man es zulassen müsse, daß Eltern ihre Kinder beschneiden. Das ist natür­lich so nicht ganz richtig. Zum einen kommt Artikel 4 des Grund­gesetzes (GG), der die freie Religions­ausübung garantiert, erst nach Artikel 2 des GG, der dem Kind das Recht auf körper­liche Un­versehrt­heit zugesteht und zum andern ist das Recht auf freie Religions­ausübung ein Individual­recht, welches zudem natür­lich auch nicht grenzen­los ist. Es erlaubt einzelnen Personen, ihre Religion für sich auszu­üben, nicht aber, ihre Religion an anderen Menschen oder für andere Menschen auszu­üben. Auch das Kind hat nämlich das Recht auf freie Religions­ausübung. Zwar kann ein Säugling dieses Recht noch nicht selbst wahr­nehmen; das bedeutet aber nicht, daß es dieses Grund­recht nicht hat oder daß man es ihm bei dieser Gelegen­heit einfach nehmen darf. Indem die Eltern durch die Beschnei­dung ein nicht wieder entfern­bares religiöses Symbol am Körper des Kindes anbringen, schränken sie das dem Kind eben­falls zu­stehende Recht auf freie Religions­ausübung für den Rest seines Lebens ein ein, denn das Kind wird dieses Zeichen - gleich einem Brandmal - auch dann nicht mehr los, wenn es ein Alter erreicht, in dem es seine Religions­frei­heit be­wußt wahr­nehmen kann. Darf man Menschen ihrer Grund­rechte berauben, nur weil sie auf­grund ihres Alters oder anderer Umstände verstandes­mäßig nicht in der Lage sind, diese Grund­rechte zu ver­stehen und bewußt wahr­zunehmen? Darf ein Heim­leiter dann auch die körperliche Integrität geistig Behinderter ver­letzen oder sie zu religiösen Handlungen zwingen, die sie aufgrund ihrer Behinderung nicht verstehen? Mit Ethik, lieber Ethikrat, hat das jeden­falls nichts zu tun.

Elternrecht

Der Ethikrat befindet, die Beschneidung wäre als Bestand­teil der religiösen Erziehung vom Eltern­recht gedeckt. Auch das ist natürlich nicht richtig, denn zwar dürfen die Eltern einer Körper­verletzung zustimmen. Dies muss aber dem Wohl des Kindes dienen, etwa dann, wenn es sich um medizinisch not­wendige Ein­griffe handelt. Und natür­lich ist eine Körper­ver­letzung kein legi­times Mittel der Erziehung, denn das Kind hat nach dem Gesetz ein Recht auf eine gewalt­freie Erziehung. Der Ethikrat hat daher wahr­lich große An­strengungen unter­nommen, die Beschneidung als eine Sache darzu­stellen, die dem Wohl des Kindes dient. So diene die Zugehörig­keit zur Glaubens­gemeins­chaft dem Wohl des Kindes. Aber wie wir schon fest­gestellt haben, wird das Kind durch die Beschnei­dung in seiner eigenen Religions­frei­heit ver­letzt und damit einem wichtigen Grund­recht beraubt. Das kann nicht dem Wohl des Kindes dienen, denn schein­bar ist die Religions­freiheit gerade in diesen Kulturen so wichtig, daß wir über­haupt diese Diskussion führen müssen. Es handelt sich um ein Paradox: Wenn die die Religions­frei­heit für diese Glaubens­gemein­schaften so wichtig ist, daß sie sogar Eingriffe in die körper­liche Integrität Dritter erlauben soll, dann kann es gar nicht dem Kinds­wohl dienen, dem Kind dieses ihm ebenfalls zu­stehende Recht der Religions­freiheit zu nehmen. Und wenn das Kind psychischen Schaden nehmen sollte, weil die Glaubens­gemein­schaft ein un­beschnit­tenes Kind nicht wenigstens bis zu einem selbst­bestimmungs­fähigen Alter als ihr zugehörig akzeptieren will, dann ist nicht etwa der Gesetz­geber in der Pflicht, die Beschneidung zum vermeint­lichen Wohl des Kindes zu legali­sieren, sondern die Religions­gemein­schaft ist gefordert, unbeschnittene Kinder nicht länger aus­zugrenzen. Ethik für Dummies.

Zudem sind Kinder nicht das Eigentum ihrer Eltern und so wundert es nicht, daß der Staat durch­aus auch an anderen Stellen in das Eltern­recht ein­greift. So zwingt beispiels­weise die Schul­pflicht die Eltern dazu, ihre Kinder in die Schule zu schicken. § 1631 BGB garantiert den Kindern das Recht auf eine gewalt­freie Erziehung und wenn sich die Eltern nicht daran halten, kann es im Extrem­fall sogar dazu kommen, daß der Staat den Eltern das Sorge­recht gänzlich entzieht. Das Eltern­recht ist also keines­falls grenzen­los, sondern findet seine Schranken in den Grund­rechten der Kinder und den all­gemeinen Gesetzen, so wie übrigens jedes Freiheits­recht an den Grund­rechten anderer Menschen endet.

Schmerzen bei der Beschneidung

Der Ethikrat befindet, die Beschneidung sei akzeptabel, wenn sie unter einer adäquaten Betäubung statt­finde. Der Ethikrat hat sich aber leider nicht die Mühe gemacht, darüber nachzu­denken, daß eine Amputation weit länger Schmerzen bereitet, als während des eigent­lichen Eingriffs, nämlich Wochen- bis Monatelang, bei Kompli­kationen unter Umständen Lebens­lang. Natürlich kann man argumentieren, daß auch jede andere Operation diese Schmerzen verursacht. Aber auch das wäre ein Fehl­urteil, weil man rituelle Kör­perver­letzungen aus ethischer Sicht nicht mit medizinisch erforder­lichen Ein­griffen gleich­stellen kann. Die ein­fachste, sicherste, beste und vor allem ethischste Schmerz­vermei­dung ist es, diese Operation über­haupt nicht durch­zuführen!

Nicht bedacht hat der Ethikrat offenbar auch, daß die Anästhesie von Klein­kindern und ins­besondere von Säuglingen ein extrem hohes, zusätz­liches Risiko dar­stellt, da die exakte Dosierung der Betäubungs­mittel schwierig bis unmöglich ist. Jeder vernünftige Arzt, der seinen Beruf nicht aufs Spiel setzen will, wird deshalb so gering wie möglich dosieren. Das dürfte in der Praxis darauf hinaus laufen, daß eine Betäubung kaum oder gar nicht statt­findet und nur aus rechtlichen Gründen in die Akte geschrieben wird. Der Beschluß des Ethik­rates, die Kinder sollten betäubt werden, wird den Kindern die Schmerzen jeden­falls nicht nehmen und jenen Kindern unter Umständen das Leben kosten, die während der Prozedur tatsäch­lich wirk­sam, aber falsch dosiert betäubt werden.

HIV und HPV Prävention

Auf diese Argumente braucht man hier eigentlich nicht einzugehen, da Säug­linge und Klein­kinder keinen Geschlechts­verkehr haben. Im späteren Alter können die Heran­reifenden dann selbst entscheiden, ob sie sich aus hygienischen oder ästhetischen Gründen beschneiden lassen wollen oder nicht. Darüber hinaus sind Kon­dome als Schutz vor Aids eine deut­lich bessere Empfehlung als eine Beschneidung. Und gegen HPV kann man sowohl Jungen als auch Mädchen impfen lassen. Die ganzen medizinisch- hygienischen Argumente, die angeblich für eine Beschneidung sprechen, sind bloße Schein­argumente, da sie für Säug­linge und Klein­kinder ohne jede Bedeutung sind und deshalb auch hier nicht her gehören.

Identitätsstiftendes Ritual

Der Ethikrat meint, die Beschneidung sei ein identitäts­stiftendes, essentielles, und jahrtausende altes Ritual und für Juden und Muslime daher nicht verhandel­bar. Der Ethikrat hat es aber offen­sichtlich versäumt, darüber nach­zudenken, daß es auch in anderen Religionen solche identitäts­stiftende, alte und un­verhandel­bare Rituale gibt, die in die körper­liche Integrität anderer Menschen ein­greifen. Beispiel­haft sei hier die weibliche Beschnei­dung genannt. Zwar sind manche Formen der weib­lichen Beschnei­dung weitaus destruktiver als die Zirkum­zision bei den Jungen, aber in beiden Fällen werden Teile der Geschlechts­organe der Betrof­fenen unwieder­bringlich entfernt. Auch stimmt es nicht, daß die Ent­fernung der männlichen Vorhaut keinerlei negativen Einfluß auf die spätere Sexualität hat, denn wir alle wissen, daß der Sinn der männ­lichen, wie auch der weib­lichen Beschneidung ja unter anderem genau diese Einfluß­nahme, nämlich die Unter­drückung des Lust­empfindens und die Erschwerung der Masturbation ist.

Die männliche und die weibliche Beschneidung sind unter dem Aspekt der unwider­ruf­lichen Amputation durch­bluteten und mit Nerven­zellen durch­drungenen Gewebes an den empfindlichen Geschlechts­teilen qualitativ sehr wohl ver­gleich­bar und unter­scheiden sich weder im Prinzip, noch in der Moti­vation der Beschneider. Sie unter­scheiden sich höchstens quantitativ und das auch nur in bestimmten Ausprägungen. Und da sollte sich der Ethikrat schon noch­mal Gedanken darüber machen, wie es vertret­bar sein soll, medizinisch unnötige Amputationen beim einen Geschlecht zu erlauben und beim anderen zu ver­bieten. Diskrimi­nierungen auf­grund des Geschlechts jeden­falls, dürften aus ethischer Sicht kaum vertret­bar sein. Da der Ethikrat dennoch zu dem Ergebnis kam, daß die männliche Beschneidung im Gegen­satz zur weib­lichen durchaus in Ordnung sei, könnte man auf die Idee kommen, die Ethik des Ethik­rates bemißt sich vielleicht in Gramm. Leider aber hat der Ethikrat es versäumt, in seinem Beschluß dar­zulegen, wie viel Gramm Körpergewebe es denn sein dürfen. Der Ethikrat muß dann auch dar­legen, wie groß der Eingriff in die körperliche Integrität anderer Menschen sein darf, wenn er aufgrund der indetitäts­stiftenden Bedeutung so unverzicht­bar ist, daß er über­haupt eine Verletzung anderer Menschen recht­fertigt. Ist eine Steinigung in Ordnung, wenn sie identitäts­stiftend ist? Nein? Eine kleine Steinigung vielleicht, wenn sie nicht bis zum bitteren Ende durch­geführt wird? Sind Hexen­ver­brennungen oder Teufels­aus­treibungen wieder legitim, wenn sie mit der identitäts­stiftenden Bedeutung begründet werden? Werden verbotene Rausch­mittel wieder legal, wenn der Konsum vom Marihuana glaub­haft als identitäts­stiftend begründet wird, zumal die Einnahme von Rausch­mitteln eben­falls eine jahr­tausend alte Tradition ist? Der Ethik­rat scheint mit solch einfachen Über­legungen über­fordert oder ist in seinem religiösen Tunnel­blick gefangen.

Die Sache mit der Identitäts­stiftung hat ohne­hin einen großen Haken: Für wen eigent­lich ist die Beschnei­dung identitäts­stiftend? Für die Eltern, die das Ritual an ihren Kindern ausüben? Dann würde dieses Argument jedwede religiös motivierte Körper­verletzung an Kindern erlauben, da die Eltern ja sonst nie ihre religiöse Identität fänden. Im alten Testament sind jeden­falls mehr als genug Gräuel­taten auf­geführt, die man den Kindern aus religiösen Gründen angedeihen lassen könnte und für den Gesetz­geber als identitäts­stiftend etiket­tieren könnte. Oder ist das Ritual vielleicht identitäts­stiftend für die Kinder und Säuglinge? Dann haben wir ein Problem, weil sich Kinder und Säuglinge ihrer Identität - auch ihrer religiösen Identität - noch gar nicht bewußt sein können. Es macht also keinen Sinn, wenige Tage alte Babys zu beschneiden, wenn diese gar nicht in der Lage sind, diese Identität zu begreifen oder sie willen­tlich an­zunehmen oder ab­zulehnen. Viel eher würde es Sinn machen, die Kinder in einem Alter zu beschneiden, in dem sie sich ihrer Identität auch gewahr sind und selbst ent­scheiden können, welche religiöse Identität sie annehmen wollen. Da wären wir wieder beim Grund­recht auf freie Religions­aus­übung. Wie der Ethikrat hier zu einer anderen Auf­fassung kommen konnte, ist aber auch schnell erklärt. Und zwar im nächsten Punkt, dem Veto­recht:

Vetorecht

Geht es nach dem Ethikrat, soll das Kind ein Veto­recht bekommen. Wenn es also alt genug ist, um Nein sagen zu können, soll es auch Nein sagen dürfen. Natür­lich weiß aber auch der Ethik­rat, daß sich dadurch in der Praxis nichts ändern wird, denn Säug­linge und Klein­kinder begreifen weder, was da mit ihnen geschieht, noch können sie sich artikulieren. Sie werden bei der Prozedur zwar laut vor Schmerzen schreien, aber wird das von den Eltern und dem Beschneider als Veto akzeptiert werden? Natürlich nicht! Die mus­limischen Jungen werden meist in einem Alter von 4 bis 6 Jahren beschnitten. Und auch hier sind die Kinder kaum in der Lage Nein zu sagen. Erstens begreifen auch sie noch nicht wirk­lich, was da vorgeht und zweitens werden Kinder in diesem Alter letzt­lich immer den Eltern gehorchen. Selbst im jugend­lichen Alter werden Kinder kaum in der Lage sein, dem gesell­schaft­lichen Druck etwas entgegen­zusetzen, denn nicht nur die Eltern werden ihre ganze Autorität ein­setzen, sondern die ganze religiöse Gemein­schaft und das soziale Umfeld werden das Kind nach allen Regeln der Kunst nötigen, sich dem Ritual zu unter­werfen. Aus dieser religösen Falle gibt es für Kinder aus eigener Kraft kein Ent­kommen und nun sollen sie nach dem Willen des Ethikrats auch nicht mehr länger von ihren bis dahin unveräußer­lichen Grund- und Menschen­rechten geschützt werden. Eine Schande ist das. Hätte der Ethikrat die Sache mit dem Veto­recht wirk­lich ernst gemeint, dann hätte er das Alter für die Beschnei­dung auf die Voll­jährigkeit hoch­setzen müssen. Daß er das nicht getan hat, hat einen ganz offen­sicht­lichen Grund: Erwachsene Männer würden sich einer solch schmerz­haften und archaischen Prozedur kaum frei­willig und ohne Not aus­liefern und das Ritual würde sich damit irgend­wann von selbst erledigen, wie auch den Religionen die (Mit-) glieder ausgehen würden. Das vom Ethikrat beschlossene Veto­recht ist eine ethisch und moralisch ver­kommene Nebelkerze, die nur dazu dient, den Anschein zu liefern, der Ethikrat hätte tatsäch­lich nach ethischen Maß­stäben geurteilt.

Hat der Ethikrat versagt?

Nein. Wenn man sich die Besetzung des Ethik­rates mit zahlreichen Kirchen­ver­tretern ansieht, war dieses Ergebnis zu erwarten. Insofern hat der Ethik­rat genau das geliefert, was sich der heuch­lerische Auftrag­geber, namentlich die Bundes­regierung, gewünscht hat. Nur hatte das ganze Procedere mit Ethik rein gar nichts zu tun. Es war eine billige Show. Zumal es in einer aufgeklärten Gesell­schaft inmitten Europas im 21. Jahr­hundert auch wirk­lich keinen Sinn mehr macht, mit aber­gläubischen Argu­menten von vor 4000 Jahren zu argu­mentieren. Damals gab es noch keine Menschen­rechte und ein Menschen­leben war auch nicht viel wert. Heute jedoch haben wir Grund- und Menschen­rechte.

Das Herumschneiden an den Geschlechts­teilen von Kindern und Säug­lingen ist ganz sicher nicht Gottes Wunsch und wer so etwas behauptet, der beleidigt Gott schlimmer als es die übelste Mohammed- Karikatur jemals könnte! Wenn es ein göttliches Wesen gibt, interessiert es sich ganz sicher nicht für die Vor­häute kleiner Jungs auf dem Planeten Erde in der Milch­straße. Allein die Vor­stellung trieft vor Dummheit, Naivität und maßloser Über­schätzung sowohl der Bedeutung mensch­lichen Lebens als auch deren Geschlechts­teile, insbesondere des männlichen Penis!

Hinter diesem verächtlichen Ritual stehen alleine die Macht­phantasien religiöser Oberhäupter vor ein paar tausend Jahren. Man wollte die Menschen schlicht­weg er­niedrigen, sie ein­schüchtern und gefügig machen, indem man ihnen am eigenen Leib zeigte, daß die Religion die Macht hat, sogar an ihrem intimsten Kör­perteil das Messer an­zulegen. Deutlich wird das auch daran, daß es damals auch Sitte war, den im Kampf besiegten Männern das Geschlechts­teil ab­zuschneiden. Es ist das bloße Zeichen der Macht und Über­legenheit, die in der schlimmst möglichen Erniedrigung des Besiegten ihren Ausdruck findet.

Das Herumschneiden an den Geschlechts­teilen von Kindern, egal welchen Geschlechts, ist krank, pervers und dumm. Und es ist sexuelle Gewalt gegen Kinder, wes­halb man auch einmal eine Studie durch­führen sollte, welche Aus­wirkungen dieses Ritual der männlichen Beschnei­dung auf den Umgang der erwachsenen Männer mit dem anderen Geschlecht hat. Die Männer werden sich zwar kaum bewußt an ihre früh­kindliche Beschneidung erinnern, aber tief im Unterbewußt­sein wird das traumatische Erlebnis sicher abgespeichert worden sein. Und ob sich diese Verknüpfung des eigenen Sexual­organs mit Dingen wie Macht, Gewalt, Schmerz und Demütigung positiv auf die spätere Sexualität auswirkt, wage ich ernst­haft zu bezweifeln. Zumindest scheint es gerade in den Kulturen, die die Beschneidung praktizieren, einen deut­lichen Zusammen­hang mit der Unter­drückung des weib­lichen Geschlechts und der Gewalt gegen Frauen zu geben.

Der Ethikat hat sich diese Bezeichnung für mich verwirkt und sich mit diesem Beschluß als moralische Instanz dis­quali­fiziert. Das wird ihn nicht jucken. Aber immer­hin bin ich aus der Kirche ausgetreten. Eine Kirche, die Gott beleidigt, indem sie ihm unter­stellt, er wolle, daß man kleine Kinder grau­sam quält, ist nicht die Glaubens­gemein­schaft, der ich mich zugehörig fühle. Deshalb war es jetzt identitäts­stiftend für mich, dieser Kirche den Rücken zu kehren. Wenn ich an Gott glauben möchte, dann kann ich das auch ohne die Institution Kirche tun. Und wenn ich an einen Gott glauben möchte, dann möchte ich nicht an einen kranken Pervers­ling glauben, dem nichts auf der Welt wichtiger ist, als die Vorhäute kleiner Buben.

Mit freundlichen Grüßen

 

Winfried Wacker, 31.08.2012

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