Datei:aktuelles2011b.php
Erstellt:12.08.2011
Aktualisiert:30.12.2011: Foto
  

Aktuelles Tagesgeschehen

 

Meine Meinung zu aktuellen Themen

Die Schlagzeile:

 Friedrich warnt vor Chaos der Gesetzlosigkeit im Internet 

Berlin, 08.08.2011 Der deutsche Bundes­innen­minister Dr. Hans-Peter Fried­rich (CSU) bekräftigte am ges­trigen Mitt­woch seine Kritik an der Ano­nymi­tät im Inter­net. Es müsse ge­lingen, die geltende Rechts­ord­nung auch auf die digi­tale und vir­tuelle Welt zu über­tragen, er­klärte der Minister. Mit Kritikern seiner An­sichten ging er hart ins Ge­richt - deren Re­aktionen seien "dümm­lich", sagte Fried­rich.
Soweit die Meldung.   [ Quelle ]

Unterschiedlicher könnten die Reaktionen auf das Atten­tat in Nor­wegen wohl kaum sein. Minister­präsi­dent Jens Stolten­berg betonte, Nor­wegen werde jetzt erst recht an seinen Grund­werten fest­halten und mit noch mehr Offen­heit, Frei­heit und Demo­kratie re­agieren. In Deut­schland hin­gegen stellt sich der Innen­minister wie üblich hin und fordert noch mehr Über­wachung, noch mehr Kon­trolle und noch weniger Frei­heit. Und als kenne aus­gerechnet er als Innen­minister nicht das Grund­gesetz oder habe von unserer frei­heitlich- demo­kratischen Grund­ordnung noch nie etwas ge­hört, fordert er nicht weniger als die Ab­schaf­fung der (ohnehin nicht vor­handenen) Ano­nymi­tät im Inter­net. Wer seine Mei­nung im Inter­net ver­öffent­liche, habe ge­fälligst seinen rich­tigen Namen zu nennen.

Dazu erst mal drei Punkte vorweg:

  • Erstens bewegt man sich im Inter­net normaler­weise gar nicht anonym, denn jede zu­gewiesene IP-Adresse wird beim Pro­vider geloggt und zumeist auch (nach der­zeitigem Stand rechts­widrig) für einen längeren Zeit­raum auf­bewahrt. Reagiert die Straf­verfolgungs­behörde also rasch genug, dürfte es auch kein Problem sein, den Autor einer eventuell straf­recht­lich rele­vanten Meinungs­äußerung zu er­mitteln. Ab­gesehen davon ar­beiten unsere lieben Politiker auch mit ziem­lichem Eifer daran, die vom BVerfG gekippte Vorrats­daten­speicherung wieder ein­zuführen.
  • Zweitens haben Webs­eitenbe­treiber in der Regel ein Impres­sum an­gegeben. Wer also auf seiner eigenen Web­seite Texte veröffent­licht, ist jeder­zeit zu ermitteln. Und selbst wenn das Impres­sum fehlt, ist der Besitzer einer Domain jeder­zeit mit einer simplen Whois-An­frage zu ermitteln, weil Domains bei einer zen­tralen Stelle (in Deutsch­land Denic) erfaßt sind. Kein Pro­blem also.
  • Drittens muß man sich in den meisten Foren und Chat­rooms vorher an­melden und wohl die wenigsten werden hier eine ungültige E-Mail­adresse angeben, weil die An­meldung in der Regel über diese E-Mail Adresse veri­fiziert wird.

Fassen wir die drei Punkte mal zusam­men, dann bewegt man sich im Inter­net mit­nichten anonym, sondern ist für die Be­hörden im Normal­fall jeder­zeit ermittel­bar. Die Ver­schleier­ung des Klar­namens durch die Ver­wendung eines Pseudo­nyms ist ledig­lich eine schwache Form der Ano­nymi­sierung gegen­über anderen Nutzern. Und diese Form der infor­mationellen Selbst­bestimmung stört Friedrich. Was er will, ist, daß man nicht nur gegen­über den Be­hörden mit Klar­namen be­kannt ist, son­dern auch gegen­über allen anderen Usern im Web. Daß diese Forder­ung gegen die Ver­fas­sung ver­stößt, liegt auf der Hand, denn informationelle Selbst­bestim­mung ist ein Grund­recht und nur die Poli­zei oder die Staats­anwalt­schaft haben das Recht, die Identi­tät eines Men­schen not­falls auch gegen seinen Willen fest­zu­stellen. Nie­mand sonst! Friedrich ist das aber egal, hat er doch seine Forder­ung auch nach der durchaus berechtigten Kritik noch­mals erneuert und sogar noch Unter­stützung aus der eigenen Partei erhalten.

Was kümmern ihn auch die Grund­rechte der Bürger? Mir scheint, daß hohe Beamte im Innen­ministerium alle neuen Innen­minister erst mal einer Art Gehirn­wäsche unter­ziehen und ihnen die Wunsch­liste der Straf­ermittler ein­trichtern, um jeder­zeit und möglichst auf Knopf­druck alles über jeden Bürger in Er­fahrung bringen zu können. Feuchte Träume von Poli­zisten eben: Wenn alles über jeden gespeichert wird, genügt ein Druck aufs Knöpf­chen und jedes Ver­brechen ist auf­geklärt. Grund­rechte und Ver­fassung stören da nur. Schäuble sagte ja schon 1996:

"Die Verfassung ist immer weniger das Gehege, in dem sich demo­kratisch legi­timierte Poli­tik ent­falten kann, son­dern immer stärker die Kette, die den Bewegungs­spiel­raum der Poli­tik lahmlegt."

Nicht anders als mit solchen ver­fassungs­feind­lichen Allmachts­phanta­sien sind auch For­derungen beispiels­weise der Gewerk­sachaft der Poli­zei nach Warn­dateien zu erklären, in der Menschen erfaßt werden sollen, die "krude Gedanken" äußern. "Wir kommen nicht darum herum, der­art auf­fällig ge­wordene Per­sonen zu regi­strieren und zu identi­fizieren", meinte der GdP-Chef Witt­haut und for­dert damit nichts geringeres als die Ab­schaf­fung des Artikel 5 GG, denn wer würde schon noch seine Mei­nung frei äußern, wenn er Gefahr liefe, dadurch in einer poli­zei­lichen Ge­sinnungs­datei zu landen und mit Repres­salien, präventiven Über­wachungs­maß­nahmen oder anderen Schikanen rech­nen zu müssen? Und wer bestimmt, was "krude Ge­danken" über­haupt sind und welche Ge­danken noch legi­tim sind? Es ist schon fast un­glaub­lich mit wel­cher Beharr­lich­keit solche totalitären und ein­deutig rechts­widrigen For­derungen aus­ge­rechnet immer von jenen wieder ge­stellt werden, deren Auf­gabe es eigent­lich ist, für Recht und Ord­nung zu sorgen. Man erinnere sich auch an jene Forderungen nach PC- und Handyverbot für Gefährder oder Schäubles feuchte Träume, Terro­risten mal eben so er­schießen lassen zu dürfen. Zitate Schäuble

Und immer wieder die dümm­liche Aus­sage, das Inter­net dürfe kein rechts­freier Raum sein. Herr Fried­rich, das Inter­net ist kein rechts­freier Raum. Alle Ge­setze gelten in vollem Um­fang auch für das Inter­net. Egal ob ich sie hier be­leidigte oder Ihnen direkt ins Ge­sicht sagte, was ich von Ihnen halte. Beides wäre eine Straf­tat und würde auf An­trag ver­folgt werden, wes­halb ich es mir tun­lichst ver­kneife. Im Gegen­teil ist die Straf­ver­folgung im Netz sogar strenger, erfolg­reicher und sehr viel ein­facher als außer­halb des Daten­netzes, weil im Inter­net alles schön säuber­lich und maschinen­lesbar mit­geloggt wird. Niemand bekommt etwas davon mit, wenn Schüler auf dem Pausen­hof Musik­dateien kopieren und ver­teilen, während beim Tausch übers Netz sofort eine Horde An­wälte Gewehr bei Fuß steht. Ist der Schul­hof des­halb ein rechts­freier Raum? Herr Friedrich, also noch­mal: Das Inter­net ist kein rechts­freier Raum. Es war auch nie ein rechts­freier Raum und wird es auch nicht da­durch, daß zu Ihrem Bedauern in anderen Ländern andere Ge­setze gelten.

Aber Sie wollen das Inter­net zum rechts­freien Raum machen. Und zwar zum grund­rechts­freien Raum: Während es den Straf­ver­folgungs­behörden bei­spiels­weise aus gutem Grund ver­boten ist, heim­lich Wohnungen zu durch­suchen, dabei Dinge ein­fach mit­zu­nehmen oder Beweise zu mani­pulieren, ist es ihnen im Netz er­laubt, heim­lich die Com­puter der Bürger zu durch­suchen. Das wirk­lich unfaß­bare daran ist, daß das BVerfG das erlaubt hat, während der BGH hier­zu richtiger­weise meinte:

"Das Bild der Straf­prozess­ordnung von einer recht­mäßigen Durch­suchung ist dadurch geprägt, dass Ermittlung­sbeamte am Ort der Durch­suchung kör­perlich anwesend sind und die Ermitt­lungen offen legen. [...] Dafür sprechen zunächst die Vor­schriften der Straf­prozess­ordnung über die Durch­führung der Durch­suchung. § 106 Abs. 1 Satz 1 StPO sieht ausdrücklich ein Recht des Inhabers der zu durch­suchenden Räume oder Gegen­stände auf Anwesenheit vor."
BGH: STB 18/06  [ Quelle ]

Anderes Beispiel. Im so­genan­nten wirk­lichen Leben würde jeder, auch Sie Herr Fried­rich, sofort auf­schreien, wenn der Staat von allen Bürgern ohne jeden Grund und fort­während Daten darüber sammeln lassen würde, wann sie sich wo auf­halten und mit wem sie sich dort wie lange unter­halten. Das wäre doch klar ver­fassungs­widrig und Sie würden es sich verbitten, wenn hinter Ihnen ständig ein Poli­zist oder Privat­detektiv her­liefe, der genau das im Auf­trag des Staates auf einen Zettel notierte? Aber bei der Vorrats­daten­speicherung soll genau das mit unseren elek­tronischen Kom­munikations- und Bewegungs­profilen gemacht werden!

Die Begründung, weshalb der Staat hier mit zweier­lei Maß mißt, scheint mir klar: Während man es im wirk­lichen Leben eben merkt, wenn man be­obachtet wird, merkt man es bei der heim­lichen Online­durch­suchung oder der Vorrats­daten­spei­cherung nicht bzw. kaum und so glauben unsere Poli­tiker wohl, daß der Grund­rechts­ein­griff bei der Vorrats­daten­speicherung weniger tief ist, als wenn der Staat Akten darüber an­legen ließe, wann Frau Müller aus dem Haus geht, wo sie hin­geht, was sie da tut und mit wem sie wie lange redet.

Nach dem Motto, unbemerkte Grundrechtsverletzungen sind auch keine.

Um nicht den Beweis der geltenden Rechtslage schuldig zu bleiben und um zu zeigen, daß Friedrichs Forderungen ganz eindeutig rechts- und verfassungswidrig sind, hier nochmal die entsprechenden Paragrafen:

Artikel 1 Grundgesetz
(1) Die Würde des Menschen ist unan­tastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Ver­pflichtung aller staat­lichen Gewalt.
(2) [...]
Artikel 2 Grundgesetz
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Ent­faltung seiner Persönlich­keit, soweit er nicht die Rechte anderer ver­letzt und nicht gegen die ver­fassungs­mäßige Ord­nung oder das Sitten­gesetz verstößt.
(2) [...]
(3) [...]
Daraus (aus Artikel 1 und 2 GG) hat das BVerfG im sog. Volkszählungs­urteil das Recht auf in­formationelle Selbst­bestim­mung erschaffen.

Artikel 5 Grundgesetz
(1) Jeder hat das Recht, seine Mein­ung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­breiten und sich aus all­gemein zu­gäng­lichen Quellen unge­hindert zu unter­richten. Die Presse­freiheit und die Frei­heit der Bericht­erstat­tung durch Rund­funk und Film werden gewähr­leistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vor­schriften der all­gemeinen Gesetze, den gesetz­lichen Bestim­mungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persön­lichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Frei­heit der Lehre ent­bindet nicht von der Treue zur Ver­fassung.

§ 13 TMG (Telemediengesetz) Pflichten des Diensteanbieters
(6) Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.

Und hier noch kurz ein passendes Zitat aus einem Urteil:

"Eine Beschränkung der Meinungs­äußerungs­frei­heit auf Äußer­ungen, die einem be­stim­mten Indi­viduum zu­geord­net werden können, ist mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verein­bar. Die Ver­pflichtung, sich nament­lich zu einer be­stim­mten Mei­nung zu be­kennen, würde nicht nur im schulischen Be­reich, um den es im Streit­fall geht, die Gefahr be­gründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Re­pressalien oder sonstigen nega­tiven Aus­wirk­ungen sich dahin­gehend ent­scheidet, seine Mei­nung nicht zu äußern. Dieser Ge­fahr der Selbst­zensur soll durch das Grund­recht auf freie Mei­nungs­äußerung ent­gegen gewirkt werden.".
BGH: VI ZR 196/08, 23.06.2009

Sehr geehrter Herr Friedrich,

Wenn hier jemand dümmlich und platt daher­redet, dann sind Sie es doch wohl. Und zwar auf aller­unter­stem Stamm­tischniveau. Anstatt nach jedem Ereig­nis den erst­besten, unaus­gegorenen Gedanken einfach unre­flektiert der Presse mit­zuteilen, sollten Sie, wie auch Ihre Kollegen mal damit an­fangen, ein paar Tage darüber nach­zudenken, sich über die Ver­fassungs­konformität der For­derungen Gedanken zu machen und - wenn es mit der eigenen Sach- und Fach­kenntnis nicht so weit her ist - die Sache einfach mal vorher mit ein paar Fach­leuten zu dis­kutieren. Aber wahr­schein­lich geht es Ihnen so wie den meisten Politi­kern: Sie wollen mit blindem Aktionis­mus Handlungs­fähig­keit und Kompetenz vor­gaukeln. Egal was für ein Mist dabei raus­kommt. Sie jeden­falls, Herr Friedrich, hätten in Bayern bleiben sollen! Da wären Sie wenigstens nicht weiter auf­gefallen.

 Zwei Drittel der Bevölkerung lehnt anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab 

Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts Allensbach unter dem Titel Konservativer Markenkern: Innere Sicherheit hat ergeben, daß zwei Drittel der deutschen Bevölkerung eine anlasslose Vorratsdatenspeichnerung ablehnt. Die Frage lautete:

Es wird derzeit darüber diskutiert, wie die so gennante Vorrats­daten­speicherung zur Verbrechens­bekämpfung geregelt werden soll. Hierzu gibt es zwei Vor­schläge: Ein Vorschlag sieht vor, dass die Tele­fon- und Inter­net­anbieter die Ver­bindung­daten der Bürger nur dann länger speichern dürfen, wenn es einen Ver­dacht auf eine Straf­tat gibt. Der andere Vor­schlag sieht vor, die Daten auch ohne Ver­dacht sechs Monate zu speichern. Welchen Vor­schlag würden Sie befür­worten?

Es antworteten:

  • 19% Auch ohne Verdacht
  • 66% Nur bei Verdacht (davon Anhänger der CDU/CSU 56%!)
  • 15% keine Angaben

Peinlich, denn die Studie wurde von der CDU/CSU in Auftrag gegeben.

[ Quelle ]

Irgend­etwas ändern wird die Studie aber nicht, denn nach allen Um­fragen der letzten Jahre sind auch die aller­meisten Deutschen gegen den Ein­satz der Bundes­wehr in Af­ghanistan. Unsere Politiker juckt das aber nicht.  vorherige Seite dieser Artikel nächste Seite

nach oben