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Erstellt: | 03.10.2010 |
Aktualisiert: | 20.10.2010 |
Aktuelles Tagesgeschehen
Meine Meinung zu aktuellen Themen
Die Schlagzeile:
30.09.2010 Bürgerkrieg im Schlossgarten
Es regnet Tränengas. Kinder, Schüler, alte Frauen und Männer fallen
übereinander, werden hochgehoben und dorthin geschleppt, wo der
scharfe Strahl der Wasserwerfer nicht mehr hinreicht. Manche Gesichter sind
blutüberströmt, die Augen brennen höllisch, der Atem wird knapp.
Szenen wie in Wackersdorf, sagen ältere Semester, die über einschlägige
Demo-Erfahrungen verfügen. Aber es ist nicht Wackersdorf, es ist der
Stuttgarter Schlossgarten, die gute Stube der Schwaben, in der sie
sonntags mit ihren Kindern spielen.
Soweit die Meldung.
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Quelle]
Sehr geehrter Herr Mappus, sehr geehrter Herr Rech,
verzeihen Sie mir die deutlichen Worte, aber ganz ehrlich, Sie sollten sich schämen. Alle beide. Und Sie sollten Ihr Amt nieder legen und sich bei den Stuttgarter Bürgern entschuldigen. Ich kreide Ihnen nicht an, daß Sie Kinder haben verprügeln lassen. Das hat der Stuttgarter Polizeichef für Sie getan. Aber ich werfe Ihnen vor, daß Sie sich nach diesem Polizeieinsatz hinstellen und frech in die Kamera sagen, der Einsatz sei legitim und verhältnismäßig gewesen. Wie kann man nur so dreist lügen? Vor allem angesichts der Tatsache, daß die Bilder dieses - eines Rechtsstaats unwürdigen - Polizeieinsatzes um die ganze Welt gegangen sind. Jeder konnte sehen, wie Polizisten Pfefferspray mit ausgestrecktem Arm in die Menge der Demonstranten hinein sprühten. Und zwar ganz ohne persönliche Not, die eine Gegenwehr legitimiert hätte, sondern einzig und alleine in der Absicht, möglichst viele Demonstranten zu erwischen. Jeder konnte sehen, wie Polizisten Menschen, darunter Kinder und Alte, wie Säcke herum warfen und übereinander stapelten. Unten auf dieser Webseite können Sie sich eine Videosequenz ansehen, wo ein Polizist einer älteren, grauhaarigen Frau mit der Faust in brutalster Weise mitten ins Gesicht boxt, nur weil diese ihn während einer Diskussion leicht an den Arm schubst! Kinder wurden geschlagen, getreten, mit Pfefferspray malträtiert und - nach meiner Wahrnehmung - vorsätzlich verletzt. Ja, Herr Mappus und Herr Rech, diese Bilder gingen um die ganze Welt und ich frage mich, weshalb ausgerechnet Sie beide sie nicht gesehen haben wollen. Sowohl im Fernsehen als auch im Internet konnte es jeder mit eigenen Augen sehen. Und Sie behaupten, der Einsatz wäre völlig in Ordnung gewesen? Und dann lügen Sie auch noch, indem Sie behaupten, die Aggressionen wären von den Demonstranten ausgegangen, es seien gar Pflastersteine geworfen worden? Schämen Sie sich!
Wenn Sie diesen Polizeieinsatz für Verhältnismäßig halten, Herr Rech, dann sollten Sie als Innenminister ganz schnell zurücktreten, da Sie offensichtlich eine völlig falsche Vorstellung von diesem Begriff haben. Nein, es ist unter gar keinen Umständen verhältnismäßig, Alte und Kinder zu verprügeln und ihnen Verletzungen bis hin zur drohenden Erblindung zuzufügen. Jedenfalls nicht wegen einer Baustelle.
Auch ist es eine Frechheit und an Zynismus nicht zu überbieten, wenn Sie behaupten, die Demonstranten hätten die Kinder missbraucht, indem Sie sie an die vorderste Front geschickt hätten. Einmal abgesehen davon, daß das eine ganz abscheuliche und wiederwärte Unterstellung ist, ist es eine Frechheit, daraus die Legitimation abzuleiten, diese Kinder polizeilich verprügeln lassen zu dürfen. Selbst wenn Ihre Behauptung zuträfe, wonach die Kinder instrumentalisiert worden wären, rechtfertigte das keineswegs die Entscheidung der Beamten, auf diese instrumentalisierten Kinder auch einzuprügeln. So eine Polizistenhand, die einen Wasserwerfer steuert, ist schließlich kein unkontrollierbares Naturereignis, wo man sagen könnte, wer seine Kinder in den Regen schickt, der will, daß sie naß werden. Dem Polizisten obliegt noch immer die freie Entscheidung, ob er seine Waffe gegen Kinder richtet. Könnten Sie sich vorstellen, daß die Kinder vielleicht gerade mitgenommen wurden, damit es friedlich bleiben sollte? Eine solche Form der Instrumentalisierung wäre moralisch jedenfalls nicht verwerflich. Verwerflich ist es aber, wenn die Staatsgewalt dennoch auf die Kinder einschlägt und zynisch behauptet, die Eltern hätten es ja so gewollt. Ach so, aber die Staatsgewalt muß immer handlungsfähig bleiben? Um jeden Preis? Auch wenn man dafür Kinder schlagen muß? Wenn das Ihr Denken, ist, Herr Rech und Herr Mappus, dann kann man Sie nur aufrichtig bedauern!
Die Methoden der Polizei:
Gleichzeitig zitiert das Blatt einen anonym bleibenden Beamten, der über illegale Methoden der Polizei bei solchen Einsätzen spricht, wie sie Anti-AKW- Demonstranten im Wendland und anderswo schon unzählige Male erlebt haben: "Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann."
Die Demonstranten haben die Polizei nicht angegriffen. Auch wenn Sie etwas anderes behaupten. Jeder konnte das sehen. Das einzige Vergehen dieser Bürger war es, den Polizisten nicht den Weg frei gemacht zu haben. Ach ja und einen kaputten Reifen soll es gegeben haben. Ganz schlimm. Das mag ja bei manchen Demonstrationen und in wichtigen Fällen durchaus die Anwendung unmittelbaren Zwanges rechtfertigen, indem man die Leute weg trägt. Es rechtfertigt aber nicht die Polizeigewalt, wie wir sie auf dieser Demonstration gegen friedliche Bürger sehen konnten. Vor allem, da es sich nur um die Einrichtung einer ordinären Baustelle handelte und eben nicht um etwas für die Allgemeinheit wirklich herausragend Wichtiges, das keinen Aufschub duldet und in seiner Wertigkeit über dem Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit stehen könnte. Schon gar nicht, wenn sich die Polizeigewalt gegen Alte und Kinder richtet. Aber Sie wollten ein Exempel statuieren, nicht wahr? Sie wollten keine Schwäche zeigen und die Staatsmacht nicht in Frage gestellt sehen, gell? Wenn das Ihr Anliegen war, dann wäre es zu erklären, daß Sie das Vorgehen irrtümlich für Verhältnismäßig hielten. Aber in einem Rechtsstaat heiligt der Zweck nunmal nicht die Mittel. Deshalb ist es falsch, wenn Sie denken die Staatsmacht müsse unter allen Umständen durchgesetzt werden. Und übrigens, falls Sie es nicht wußten, ist ziviler Ungehorsam eben kein Verbrechen, sondern in einem Staat, nach dessen Verständnis die Macht vom Volke auszugehen hat, zuweilen sogar dringend geboten, denn der Rechtsstaat hat eben nicht immer recht. Nein, ich rede hier nicht von Anarchie, sondern von Demokratie (Volksherrschaft).
Aus beruflichen Gründen war ich bisher eher für als gegen Stuttgart 21. Und mit diesem Brief trete ich in einen tiefen Interessenkonflikt, der mich vielleicht sogar meinen Job oder meine Karriere kosten kann, weil jeder diesen Brief an Sie lesen kann. Aber seit ich diese Bilder gesehen habe, wo Kinder und Alte von der Polizei im wahrsten Sinne des Wortes verprügelt wurden, gehöre ich zu den Gegnern des Projekts, denn es zeichnet sich ab, daß dieses Bauvorhaben gegen den Willen der Bürger, und mit Mitteln, die eher an einen Polizeistaat, als an eine Demokratie erinnern, durchgesetzt werden soll. Auf Biegen und Brechen und ohne Rücksicht auf den sozialen Frieden. Es geht hier längst nicht mehr um das Allgemeinwohl, sondern um Macht, um Geld und das persönliche Interesse einiger Weniger in Politik und Wirtschaft. Das macht mir dieses Projekt zunehmend unsympatisch, vor allem, wenn dafür sogar unter Berufung auf den Rchtsstaat (!) Kinder verprügelt werden. Wo sind wir denn?
Nach dem Grundgesetz ist das Volk der souveräne Träger der Staatsgewalt. In Wahrheit dürfen wir alle paar Jahre ein Kreuzchen machen und die Politiker genießen von da ab bis zur nächsten Wahl absolute Narrenfreiheit. Sie mögen das Demokratie nennen, ich nicht. Vor allem hat der Bürger nur die Möglichkeit, sich bei der Wahl für eine Partei zu entscheiden. Auf Inhalte hat er gar keinen Einfluss. Deshalb können Sie sich eben nicht hinstellen und behaupten, die Mehrheit habe für Stuttgart 21 gestimmt. Es mag zwar sein, daß eine Mehrheit Ihre Partei gewählt hat. Dies bedeutet aber eben nicht, daß alle diese Wähler inhaltlich in allen Punkten Ihrer Meinung sind. Viele Menschen haben Ihre Partei sicher nur deshalb gewählt, weil sie sie insgesamt für das kleinere Übel hielten und nicht, weil sie für Stuttgart 21 sind. So gesehen haben Sie vielleicht recht, wenn Sie behaupten, Stuttgart 21 sei rechtmäßig und demokratisch entschieden worden. Ob Stuttgart 21 aber tatsächlich von der Mehrheit der Bürger gewollt ist, können Sie einfach nicht wissen. Und der öffentliche Protest legt zumindest die Vermutung nahe, daß das Projekt in der öffentlichen Meinung eben nicht mehrheitlich befürwortet wird. Und ich halte es für sehr undemokratisch, bei einem derart massiven Aufbegehren des Volkes nicht die tatsächliche Volksmeinung zu erfragen, sondern stattdessen lieber Kinder und Alte von der Polizei verprügeln zu lassen. Schämen Sie sich.
Und eine Gedankenanregung hätte ich noch für Sie. Glauben Sie ernsthaft, mit der Brutalität dieses Polizeieinsatzes Werbung für unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat oder unser politisches System gemacht zu haben? Oder könnte es sein, daß die verprügelten und traumatisierten Kinder aus dieser Sache vor allem gelernt haben, daß man in diesem Staat gefälligst sein Maul zu halten hat weil man sonst von der Staatsmacht die Fresse poliert kriegt? Wahrlich, Herr Rech und Herr Mappus. Sie haben dem Ansehen dieses Staates und seiner Organe keinen Gefallen getan. Und wenn es weiter so läuft, daß die zunehmende Polizeigewalt strafrechtlich unter den Tisch gekehrt wird und von Leuten wie Ihnen auch noch öffentlich gutgeheißen wird, dann sehe ich das Bild von unserem Rechtsstaat völlig in den Dreck gezogen. Sie haben in Ihrem Amt versagt. Ziehen Sie sich aus der Politik zurück. Besser heute als morgen.